Schock nach Betriebsprüfung: Scheinselbstständigkeit und hohe Nachzahlungen – Was du wissen musst
Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) können für Selbstständige und ihre Auftraggeber existenzbedrohend sein. Besonders häufig betroffen sind Branchen, in denen Freelancer oder selbstständige Dienstleister arbeiten, wie etwa Reinigungskräfte, Texter, Grafiker, freiberufliche Buchhalter oder Coaches und Trainer (z.B. Tennis- oder Reitlehrer).
Ein aktueller Fall zeigt, wie schnell der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit im Raum stehen kann. Eine Kundin, die eine Reitlehrerin auf selbstständiger Basis engagierte, wurde durch eine Rentenversicherungsprüfung der DRV mit erheblichen Nachzahlungen konfrontiert. Der Prüfer war der Ansicht, die Reitlehrerin sei scheinselbstständig und müsse wie eine Angestellte behandelt werden – und das rückwirkend für vier Jahre.
Das Ergebnis: Eine hohe Nachzahlung an die Renten- und Arbeitslosenversicherung. Dazu sagte der Prüfer, dass meine Kundin diese Beträge bei der Reitlehrerin einklagen könnte – ein unangenehmes Szenario für jede Beziehung zwischen Auftraggeber und Freelancer.
Der Vorwurf: Scheinselbstständigkeit
Die Deutsche Rentenversicherung warf der Reitlehrerin vor, dass sie nur dann Einkommensausfälle habe, wenn sie nicht durch meine Kundin beschäftigt werde. Sie trage somit kein unternehmerisches Risiko.
Trotz eigener Pferde, Tierarztkosten und weiterer Auftraggeber sei sie faktisch als Angestellte tätig gewesen. Erst recht, weil sie unter der E-Mail-Adresse meiner Kundin kommunizierte.
Drohkulisse der Betriebsprüfung
Würde meine Kundin gegen den Bescheid klagen, drohte der Prüfer mit einer rückwirkenden Prüfung von bis zu 30 Jahren. Dies ist im Sozialversicherungsrecht wohl möglich, wenn Vorsatz unterstellt wird. Die Kosten würden dann noch weiter steigen, inklusive Strafzinsen und zusätzlicher Nachforderungen, wie Lohnsteuer.
Der Prüfer argumentierte weiter, dass die Rentenkassen leer seien, was wohl die strenge Haltung in diesem Fall erklärt. Es bleibt der Eindruck, dass die Deutsche Rentenversicherung entschlossen ist, jede Möglichkeit zu nutzen, um zusätzliche Beiträge einzutreiben.
Wer ist betroffen?
Besonders kritisch wird es für Berufsgruppen, bei denen Freelancer oft nur wenige Auftraggeber haben. Grafikdesigner, Texter oder auch Trainer wie Tennis- oder Reitlehrer sind besonders gefährdet, da sie häufig langfristige, wiederkehrende Aufträge von denselben Kunden erhalten. Dies gilt nach Ansicht der DRV als Indiz für Scheinselbstständigkeit. Besonders bei längeren und festen Kundenbeziehungen sollten Auftraggeber also vorsichtig sein.
Ein anderer Kunde, ein Tennislehrer, berichtete von ähnlichen Problemen bei seiner Rentenprüfung. Sein Steuerberater konnte jedoch eine Lösung finden, sodass größere Nachzahlungen vermieden wurden. Seine Lösung: Die meisten seiner Auftragnehmer sind mittlerweile auf 538-Euro-Basis beschäftigt. Dadurch ist er zumindest teilweise vor ähnlichen Nachforderungen geschützt.
Gerichtsurteile wegen Scheinselbstständigkeit
Lohnt es sich dagegen zu klagen? In einigen Fällen haben Gerichte bereits Klagen abgewiesen und der deutschen Rentenversicherung Recht gegeben. Beispielsweise wies das Sozialgericht Würzburg, Urteil vom 06.07.2010 - S 2 R 4087/10 und Sozialgericht Darmstadt, Urteil vom 13. Februar 2023, S 8 BA 42/20.
Lösungsmöglichkeiten
Wenn du als Auftraggeber mit Freelancern arbeitest, gibt es Möglichkeiten, das Risiko einer Scheinselbstständigkeit zu minimieren. Eine der sichersten Optionen ist es, ein sogenanntes Clearing-Verfahren bei der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen. Dieses Verfahren klärt im Vorfeld, ob eine selbstständige Tätigkeit oder eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Damit kannst du potenzielle Nachzahlungen und Probleme frühzeitig vermeiden.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Freelancer klar als eigenständige Unternehmer auftreten zu lassen. Ein Tennislehrer berichtet, dass er von seinem Steuerberater den Tipp erhalten hat, seine Auftragnehmer sollten eigene Webseiten betreiben und auf anderen Kanälen als eigenständige Trainer sichtbar sein. Das kann ein starkes Argument gegen den Vorwurf der Scheinselbstständigkeit sein.
Fazit
Scheinselbstständigkeit ist ein ernstes Thema, das in vielen Branchen, insbesondere in der Dienstleistungsbranche, zunehmend Probleme verursacht. Auftraggeber sollten sich der Risiken bewusst sein und proaktiv Maßnahmen ergreifen, um möglichen Nachforderungen vorzubeugen. Dazu zählen das Einholen eines Clearing-Bescheids, die Beschäftigung auf Minijob-Basis oder das Sicherstellen, dass Freelancer auch nach außen hin als eigenständige Unternehmer agieren.
Die rechtliche Situation bleibt komplex, und es ist ratsam, sich in solchen Fällen rechtzeitig von einem Experten, etwa einem Steuerberater oder Anwalt, beraten zu lassen. Nur so kannst du vermeiden, dass du wie im Fall meiner Kundin mit hohen Nachzahlungen konfrontiert wirst. Wir wiederum helfen dir, dass du genug finanziellen Spielraum hast, um auch solche Rückschläge locker wegzustecken.
Hier geht es zum ausführlichen Podcast 🎧: https://podcast1cc7a8.podigee.io/396-neue-episode
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